Germany, Niedersachsen, Niedermeiser

Niedermeiser mit Liebenau (Stadt Liebenau / Hessen, Kreis Kassel)
und Eberschütz (Stadt Trendelburg, Kreis Kassel)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Zur Geschichte der Synagoge
Fotos / Darstellungen
Links und Literatur



Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde

In Niedermeiser bestand eine jüdische Gemeinde bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Zur Gemeinde gehörten auch die in Liebenau, Eberschütz sowie zeitweise die in Sielen lebenden jüdischen Personen. Mitte des 18. Jahrhunderts werden erstmals Juden in Niedermeiser genannt: die "Schutzjuden" Abraham Seligmann, Moses Kaz und Moses Koppel mit ihren Familien (genannt in der "Hessischen Judenspezifikation" von 1744). Nach der Steuertabelle von 1737 hatte Moses Katz ein Haus mit Garten und einem Acker, ein Pferd, 26 Kühe, 80 Schafe und 40 Enten. Auch Abraham Seligmann war relativ wohlhabend und lebte in einem eigenen Haus.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: in Niedermeiser 1835 23 jüdische Einwohner (in drei Familien Rosenberg und zwei Familien Rosenthal), 1847 58 (in sieben Familien Rosenberg, zwei Familien Rosenthal und einer Familie Katz), 1861 77 (in zehn Familien Rosenberg, zwei Familien Rosenthal und einer Familie Katz), 1905 14; in Liebenau 1835 36 jüdische Einwohner, 1861 39, 1905 17; in Eberschütz 1835 15 jüdische Einwohner, 1861 28, 1905 13.

Nach 1870 verzogen die meisten jüdischen Familien aus Niedermeiser in die Städte. So zogen die Familien Joseph Rosenberg, Levin Rosenberg und Mathias Rosenberg nach Kassel, Familie Selig Rosenberg nach Witten.

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (zeitweise sogar eine privaten israelitische Elementarschule, an der von 1842 bis 1875 Lehrer Sandel Katz aus Guxhagen unterrichtete; er unterrichtete auch die jüdischen Kinder in Liebenau und Ostheim), ein rituelles Bad und zwei jüdische Friedhöfe (in Niedermeiser wie auch in Liebenau). Die in Eberschütz gestorbenen Personen wurden im jüdischen Friedhof in Sielen beigesetzt. In den 1920er-Jahren wurden die wenigen jüdischen Kinder in Niedermeiser und Liebenau durch den Lehrer aus Meimbressen unterrichtet. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Niederhessen mit Sitz in Kassel.

Um 1925 lebte nur noch eine jüdische Familie (Rosenberg) in Niedermeiser; bis 1939 war Julius Rosenberg als letztes Mitglied der Familie am Ort. Er verzog nach Warburg in Westfalen, wo er 1942 starb und dort beigesetzt wurde. In Liebenau lebten um 1925 wie auch 1933 noch 12 jüdische Personen. Auch sie verließen bis 1939 die Stadt.

Von den in Niedermeiser geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hedwig Rosenberg (1869), Sally Rosenberg (1864), Malchen Spier geb. Rosenberg (1861), Rosa Wihl geb. Rosenberg (1863).
Von den in Eberschütz geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Moritz (Moses) Blankenberg (1872), Sally Blankenberg (1866), Henriette Feist geb. Blankenberg (1861), Karoline (Lina) Goldschmidt geb. Blankenberg (1868), Kathinka (Käte) Katz (1888), Paula Katz (1896), Salomon Katz (1890), Berta Kaufmann geb. Blankenberg (1865).
Von den in Liebenau geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Elise Darmstädter geb. Katzenstein (1867), Jenny Löwenstein geb. Rose (1880), Siegfried Mathias (1881), Julie Schieren geb. Judenberg (1888).
Die beiden Fotos zeigen Ausschnitte aus der Gedenktafel im Stadtmuseum Hofgeismar.





Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde

Es wurden noch keine Berichte / Artikel aus jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts gefunden.


Zur Geschichte der Synagoge

In Niedermeiser gab es einen Betraum bzw. eine Synagoge in einem der jüdischen Wohnhäuser. Bei dem bis heute erhaltenen Gebäude im Bruchweg handelte es sich um ein zweigeschossiges Fachwerkgebäude mit Satteldach im Straßenzug. In diesem Gebäude befand sich - von der Straße aus gesehen - die Wohnung der jüdischen Familie rechts des Einganges (vgl. Foto unten), links des Eingangs der im Erdgeschoss der Betsaal, im oberen Geschoss die Unterrichtsräume. Der Betsaal hatte nach Angaben bei Thea Altaras (s.Lit.) unmittelbaren Zugang von der Straße und war - ähnlich dem bestehenden Eingang - über einen kleinen Treppenlauf zu erreichen.

Im Garten befand sich eine "dauerhafte" Laubhütte an der Stelle, wo auch heute ein Anbau steht. Die östlich angebaute Scheune diente dem Schächter für die rituellen Schlachtungen.

Wie lange in dem Gebäude Gottesdienst abgehalten wurden, ist nicht bekannt. Auf Grund der stark zurückgegangenen Zahlen der jüdischen Einwohner in den Orten vermutlich nicht über die Zeit um 1900 hinaus. 1909 wurde die Gemeinde aufgelöst. Damals ist das Gebäude der ehemaligen Synagoge verkauft worden. Auch der Gebäudeteil mit dem Betsaal und dem Unterrichtsraum wurde zu Wohnzwecken umgebaut.


Adresse/Standort der Synagoge: Bruchweg 6

Fotos
(Quelle: Obere Fotozeile: aus dem Beitrag von L. Rosenthal s.u. S. 26; zweite Fotozeile: Th. Altaras 1994 s. Lit. S. 46)

Das Gebäude mit dem früheren Betsaal vor dem Umbau zu einem Wohnhaus

Das Gebäude mit dem früheren Betsaal im Mai 1989
Im Gebäudeteil links des Eingangs befand der Betsaal und ein Raum für den Unterricht der Kinder; in der angebauten Scheune wurde geschächtet. Das Gebäude vom Garten aus gesehen (südliche Rückseite); im Bereich des Anbaus war einst eine "ständige Laubhütte", in der Scheune dahinter war.

Neue Fotos werden noch erstellt; über Zusendungen freut sich der Webmaster
der "Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite.


Links und Literatur

Links:

Website der Gemeinde Liebenau/Hessen

Zur Seite über den jüdischen Friedhof in Niedermeiser (interner Link)


Literatur:

Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 382; Bd. II S. 66.
Kein Artikel bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988
dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 46-47.
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 81.85-86.
Louis Rosenthal: Ein Sabbat in Niedermeiser. In: Vertraut werden mit Fremdem. Zeugnisse jüdischer Kultur im Stadtmuseum Hofgeismar. Hg. von Helmut Burmeister und Michael Dorhs. 2. Auflage Hofgeismar 2000. S. 19-26.
Brigitte Beck: Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung von Niedermeiser. In: Das achte Licht. Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Juden in Nordhessen. Hg. von Helmut Burmeister und Michael Dorhs. Hofgeismar 2002. S. 20-33.

Literatur:

Arnsberg I,382.
Louis Rosenthal: Ein Sabbat in Niedermeiser. In: Vertraut werden mit Fremdem. Zeugnisse jüdischer Kultur im Stadtmuseum Hofgeismar. Hg. von Helmut Burmeister und Michael Dorhs. 2. Auflage Hofgeismar 2000. S. 19-26.
Brigitte Beck: Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung von Niedermeiser. In: Das achte Licht. Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Juden in Nordhessen. Hg. von Helmut Burmeister und Michael Dorhs. Hofgeismar 2002. S. 20-33.